… wenn das Gute liegt so nah. Reiten und Kultur im Wendland.

Pommoissel, das ist der seltsam klingende Name eines kleinen Ortes in Niedersachsen am Rande der Göhrde. Hier verbringe ich über Pfingsten eine knappe Woche auf dem zweiten Hof der Familie Müller von Blumencron. Oliver Müller von Blumencron und seine Freundin Svenja werden uns Gäste in den kommenden Tagen betreuen.

Freitag

Ich treffe am späten Mittag ein. Svenja und Oliver begrüßen mich vor dem großen alten Haupthaus mit gedecktem Kaffeetisch samt Kuchen. Wir klönen und warten im Schatten der großen Bäume auf die anderen Gäste. Später werden die Pferde geputzt, gesattelt und los geht es. Ein Wirtschaftsweg führt zwischen den Feldern hindurch in den Wald. Wir befinden uns auf wunderbaren Wegen, die zum langen Tölten einladen. Die Nadelbäume duften und die Sonnenstrahlen fallen in goldenen Streifen zwischen den Baumstämmen hindurch auf den Waldboden. Dieser ist immer wieder dicht mit Blaubeerpflanzen übersäht und ich überlege im Stillen, dass ich demnächst unbedingt Rezepte mit Blaubeeren heraussuchen und in ein paar Wochen mit riesigen Körben zum Sammeln der reifen Beeren in diesen Wald wiederkommen werde. Nach unserer Rückkehr versorgen wir die Pferde und freuen uns aufs abendliche Grillen. Über die liebevoll zubereitete und reichlich vorhandene Verpflegung in den Tagen könnte man einen eigenen Bericht verfassen. Auf Essenwünsche wird seitens der Gastgeber gern eingegangen, aber ich als „Flexitarier“ kann den fleischlichen Verlockungen nicht widerstehen. Im Anschluss besprechen wir den Zeitplan für den folgenden Tag und gehen zufrieden in die Betten. Vorher schauen wir noch nach den Pferden und nebenbei erfahre ich, dass da gerade eine Nachtigall singt und zwischendurch auch noch ein Käuzchen ruft. Oliver hat auch eine Leidenschaft für Ornithologie und seine Begeisterung dafür kommt immer wieder auf den Ausritten und anderen Unternehmungen hervor.

Samstag

Unsere Gruppe hat sich schnell eingespielt. Ein Teil kümmert sich um die Versorgung der Pferde, der andere um die Mahlzeiten. Das Frühstück ist ausgiebig, es wird viel erzählt, diskutiert und gelacht. Wir reiten diesmal auch ein kurzes Stückchen durch einen kleinen naheliegenden Ort, bevor wir wieder zwischen Feldern und durch den herrlichen Wald reiten. Immer wieder staune ich über die abwechslungsreichen Wege. Obwohl wir eine bunt gemischte Truppe sind, was das Alter der Pferde und die Reiterfahrung angeht, verlaufen die Ritte sehr harmonisch. Wir stärken uns mit einem guten Mittagessen und wollen unbedingt noch die kulturelle Landpartie besuchen, die im Wendland immer zwischen Himmelfahrt und Pfingsten stattfindet. Schnell einigen wir uns auf die Mützingenta, einem bunten Markt mit viel Kunsthandwerk. Zwischen den unterschiedlichen Ständen hindurchschlendernd, bestaunen wir neben den Holz-, Schmiede-, Textil- und Schmuckarbeiten auch das bunte Völkchen, das als Aussteller oder Besucher dort versammelt ist. Das Wendland ist bekannt für seine Aus- bzw. Einsteiger, Individualisten und Menschen, die ein alternatives Leben führen. Die Hoch-Zeit der Proteste gegen das Atom-Endlager in Gorleben haben wir Gäste noch gut in Erinnerung und tauschen unsere Erfahrungen und Anekdoten aus den 80ern bzw. 90ern aus. Die Zeit verfliegt und wir fahren zurück, um die Pferde zu versorgen und das Abendessen gemeinsam zu bereiten. Bei einem Gläschen Wein bzw. Bierchen wird der nächste Tag besprochen. Wir möchten neben den Ausritten einen Abstecher zum Kronshof machen, auf dem gerade ein großes Islandpferde-Turnier stattfindet.

Sonntag

Am nächsten Vormittag reiten wir eine wunderschöne Strecke und kommen an dem sogenannten Lilienpfad vorbei. Hier wachsen die seltenen Wildlilien, die in ein paar Wochen zur Blüte kommen werden. Am späten Nachmittag geht es zum Kronshof. Angeregt durch das kühle Wetter erstehe ich noch schnell Wolle für eine Mütze. Zurück in Pommoissel wärmen wir uns in der Küche bei gutem Essen auf. Zwei der hartgesottenen Gäste fahren noch spät auf ein Konzert im Rahmen der kulturellen Landpartie im Gasthof Meuchefitz. Wir anderen unterhalten uns bis spät in die Nacht.

Montag

Beim Frühstück planen wir den neuen Tag. Das Gelände bietet so viel Abwechslung, dass es genügend unterschiedliche Runden selbst für kurze Ausritte von ca. 1 ½ Stunden Länge gibt. Unterwegs treffen wir nur selten Menschen oder gar andere Reiter, dafür läuft uns in den Tagen zweimal Rotwild über den Weg. Nach dem Mittag machen wir uns wieder auf, um noch ein wenig kulturelle Landpartie-Luft zu schnuppern. Diesmal besuchen wir Sallahn und Maddau, zwei kleine Orte, die Kunst und Handwerk anbieten. In einem kleinen Haus einer Silberschmiedin blicken wir über einen wildromantischen Garten mit Schwimmteich, liebevoll angelegten Beeten und freilaufenden Hühnern. Nachdem wir eine zweite Runde geritten, Pferde und Menschen rund um versorgt sind, unternehmen wir noch einen kleinen Spaziergang in der Dämmerung. An einem kleinen Teich sehen wir eine Nutria, ein „Einwanderer“ aus Amerika, die sich von uns überhaupt nicht stören lässt.

Dienstag

Immer wieder bin ich erstaunt, wie motiviert und eifrig mein Pferd ist. Fast schon will ich den zweiten Ausritt am Nachmittag nicht mitmachen, weil ich keine Lust mehr habe, permanent die Bremse bei meinem Pferd zu ziehen. Zum Glück redet mir Svenja gut zu und ich reite doch mit. Siehe da, mit ein paar unaufdringlichen Tipps geht es sehr viel besser und ich bin froh, mitgeritten zu sein. Zwischen den Ausritten unternehmen wir einen Ausflug an die Elbe zum Aussichtsturm auf dem Kniepenberg. Wir kraxeln die Stufen hoch und werden mit einer unglaublichen Aussicht über die Elbe belohnt. Die Männer machen noch einen Abstecher an die Elbe, während die Frauen einen Bummel durch die Altstadt von Hitzacker unternehmen. Die kleinen Geschäfte in den wunderschönen Häusern verleiten uns zum ausgiebigen Stöbern und wir können uns nur schwer dort losreißen.

Mittwoch

Erschreckt stellen wir fest, dass dies schon der Abreisetag ist. Das Wetter ist am Mittwochmorgen schön und nach dem gemütlichen Frühstück unternehmen wir einen letzten Ausritt. Als würden sie wissen, dass es der letzte Ausritt in diesem Gelände ist, sind sie eifrig dabei, ohne jegliche Ermüdungserscheinung. Mein Pferd, das zuhause gern über jede Baumwurzel stolpert, ist auch auf schmalen Pfaden und unebenem Untergrund ohne Probleme unterwegs. Die langen, ebenen Wege geht sie wach und aufmerksam.

Nach der Rückkehr versorgen wir die Pferde und machen in den Zimmern klar Schiff. Fast bin ich dankbar dafür, dass der Himmel sich ein wenig eintrübt, so wird einem der Abschied nicht noch schwerer gemacht. Mein Fazit: Es war ein rundherum gelungener Urlaub. Ich habe neue Dinge erfahren, nette und interessante Pferde- und Nicht-Pferde-Menschen kennengelernt, viel zu viel gegessen und es nicht geschafft, auch nur eine Seite meines Buches zu lesen. Und erstaunlicherweise bin ich trotz der vielen Abwechslung gut erholt. Sicherlich werde ich wiederkommen. Es gibt noch so viel in der näheren Umgebung zu erkunden: Zum Beispiel den Breeser Grund mit seinen Hirschkäfern. Besonders spannend ist es hier am Rande der Göhrde auch zur Zeit der Hirschbrunft im Herbst. Also warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?

Text: Ines Schielke